Mein Name ist Irena Steinmüller und ich bin seit dem 01.02.2023 Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Hildesheim. Zuvor war ich Ausbilderin im Bereich Personal der Stadt Hildesheim.
Dank Erasmusfördermitteln und der tollen Organisation von O. Rösner vom Oberbürgermeisterbüro der Stadt Hildesheim, hatte ich die Möglichkeit vom 9. bis 12. Mai 2023 an einem Austausch mit Hildesheims französischen Partnerstadt „Angoulême“ teilzunehmen.
Ziel war es schwerpunktmäßig, sich über die Methoden im Umgang mit Nachwuchskräften innerhalb der Verwaltung und das Thema Gleichstellung von Frauen und Männern auszutauschen.
Ich konnte meine Reise zusammen mit Franka Schumacher (Auszubildende zur Fachangestellten für Medien- und Informationsdienste im 2. Lehrjahr) antreten, da sie in der Zeit vom 9. Mai – 2. Juni 2023 im Rahmen ihrer Ausbildung ebenfalls an einem Austausch in Angoulême teilnahm. Wir sind mit dem Zug gereist und für einen Zwischenstopp in Paris bereits zwei Tage früher gestartet. Dort haben wir die Stadt zu Fuß und per Metro erkundet, uns auf Frankreich eingestellt und die wesentlichen Sehenswürdigkeiten bestaunt.
Für meinen Aufenthalt in Angoulême wurde vom Comité des Jumelages Angoulême ein abwechslungsreiches Programm erstellt und ich fühlte mich insgesamt sehr gut betreut. So wurde ich bei meiner Anreise am 8. Mai 2023 vom Bahnhof abgeholt und in mein Apartment inmitten der Altstadt gebracht, welches ebenfalls vom Comité gebucht wurde. Ich fand es sehr herzlich, dass mir sogar ein Starterpaket an Nahrungsmitteln aus Brot, Aufstrichen, Tee, Saft und Obst zusammengestellt wurde, sodass ich von Anfang an gut versorgt war.
Was die Sprachkenntnisse angeht, so muss ich sagen, dass noch ein gewisses Repertoire von meinem Schulfranzösisch für einen einfachen Small Talk gereicht hat. Für die Treffen mit fachlichem Austausch hatte ich stets Lina Dupuis an meiner Seite, die als ehemalige Deutschlehrerin eine perfekte Dolmetscherin war.
In den vier Tagen vor Ort hatte ich die Gelegenheit, mich mit den Mitgliedern des Comités und den Mitarbeitenden des Rathauses Angoulême auszutauschen. So wurden wir u.a. auch vom Kulturdezernenten Gérard Desaphy empfangen. Weiterhin habe ich einige Organisationen kennengelernt, die sich für Familien, Kinder, Jugendliche und Berufsberatung einsetzen. Dabei war ich beeindruckt davon, wie gut die Organisationen mit Fachpersonal ausgestattet sind und somit eine sehr ganzheitliche Unterstützung der jeweiligen Zielgruppe sichergestellt werden kann.
Besonders wertvoll war für mich der Kontakt mit der Gleichstellungsbeauftragten der Stadt Angoulême, Josiane Epaud. Sie ist bereits pensioniert, bekleidet für ihre Tätigkeit als Gleichstellungsbeauftragte ein politisches Amt und wird vom Volk gewählt, während ich vom Rat berufen und in einem Beamtenverhältnis bei der Stadt Hildesheim beschäftigt bin. Trotz dieses Unterschiedes gibt es für die eigentliche Arbeit sehr viele Gemeinsamkeiten. So sind Themen wie „politische Parität“, „Rollenverteilung der Geschlechter (z.B. Care Arbeit)“, „Gewalt gegen Frauen“, „Frauen in Führung“, „Führung in Teilzeit“ etc. ebenfalls wichtige Themen, bei denen auch in Frankreich Handlungsbedarf besteht. Zum Thema „Vereinbarkeit von Familie und Beruf“ wurden innerhalb der Verwaltung von Angoulême bereits Maßnahmen wie „Homeoffice“ und die „Vier-Tage-Woche“ eingeführt. Weiterhin finden wichtige Besprechungen nicht in den Abendstunden statt.
In Zusammenarbeit mit der Gleichstellungsbeauftragten wurde in Angoulême zudem die Initiative „Demandez Angela“ (Frag Angela) eingeführt. Dafür wird ein stetig wachsendes lokales Netzwerk von engagierten und sensibilisierten Geschäften aufgebaut, die in der Lage sind, Opfer von Belästigungen im öffentlichen Raum zu empfangen. Wenn das Opfer fragt "Wo ist Angela?", alarmiert es den Ladenbesitzer, der es an einem abgelegenen Ort in Sicherheit bringen und die entsprechenden Dienste (Taxi, Polizei, Verwandte) rufen kann.
Der Austausch war für mich sehr bereichernd und ich kann schon jetzt viele Ideen für meinen Arbeitsalltag mitnehmen. Es war erstaunlich, dass viele Problemstellungen und Herausforderungen in der Stadt Angoulême und Hildesheim sehr ähnlich sind, aber die Herangehensweise bei der Lösungsfindung eine andere ist. Unter anderem konnte ich erfahren, dass das Ausbildungssystem in Frankreich sich von dem in Deutschland unterscheidet, die Anerkennung von Bildungsabschlüssen aufgrund erworbender Berufserfahrung einfacher ist und Jugendliche viel Unterstützung bei der Berufswahl erhalten.
Durch die ausgetauschten Kontaktdaten wird ein beruflicher Austausch zu den Themen Gleichstellung und Ausbildung auch in Zukunft stattfinden, was durch den persönlichen Kontakt vor Ort nun etwas einfacher fällt.
Über das fachliche hinaus, konnte ich meine interkulturelle Kompetenz stärken, mein Französisch auffrischen und die wunderschöne Stadt Angoulême kennenlernen. Ich habe eine individuelle Stadtführung erhalten und konnte außerhalb der Arbeitszeit Museen, ein Theater und ein Orgelkonzert besuchen. Angoulême ist die Stadt der Comics und so sieht man an jeder Ecke sehr beeindruckende Wandmalereien. Durch den Fluss Charente verfügt die Stadt über ein herrliches Naherholungsgebiet und ermöglicht jederzeit einen Rückzug in die Natur.
Ich bin sehr dankbar für diese Erfahrung und kann Auszubildende, Praktikantinnen, Praktikanten, Mitarbeitende, Politikerinnen und Politiker nur dazu ermutigen auch diese wertvolle Erfahrung zu machen und die partnerstädtische Zusammenarbeit weiterhin aufrecht zu erhalten.